Der Neuanfang

"Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen." (Aristoteles)

 

Wie fängt man wieder neu an wenn man vor den Scherben seines Lebens sitzt und vor einem großen schwarzen Loch "Zukunft"? Und zwar nicht allein! Die große Liebe ist vorbei. Das Leben geht nicht mehr wie gewohnt und zusammen sorgfältig geplant weiter. Muss aber! Die Kinder wollen gefüttert werden. Man muss zur Arbeit. Die Rechnungen müssen bezahlt werden. Und auch das Haus, aus dem man ausziehen will, muss geputzt werden. Die Schockstarre der ersten Tage muss irgendwann mal weichen damit der Neuanfang gelingt.

 

Aber zurück zum TAG X - an dem ich den Auszug ausgesprochen habe. An Silvester haben wir ja schon mal über Trennung gesprochen und beschlossen weiterzumachen. Die kommenden Tage haben aber aus meiner Sicht überhaupt keine Veränderungen gebracht obwohl wir uns über Maßnahmen zur Rettung der Ehe ausgetauscht haben. Mein Frustration ist von Tag zu Tag gewachsen als mir klar war, dass sich nichts verändert hat und auch nichts verändern wird. Genau 7 Tage später bei einem erneuten Streit konnte ich den schwerwiegenden Satz nicht mehr zurückhalten: "Ich ziehe aus."

"Ehe: eine Hölle bei gemeinsamen Schlafzimmer; bei getrennten Schlafzimmern ist sie nur

noch ein Fegefeuer; ohne Zusammenwohnen wäre sie vielleicht das Paradies." (Henry de Montherlant)

 

Dabei muss ich gestehen, hat sich noch bei weitem kein konkretes Modell in meinem Kopf ausgebildet - schon gar nicht konkret das Wechselmodell. Der Satz war erst einmal das Ergebnis der zunehmenden Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Ich wollte was ändern und was anderes, was bedeutend genug dafür war, ist mir nicht eingefallen. Dabei war meine anfängliche Hoffnung noch tatsächlich, dass wir es schaffen würden, in getrennten Haushalten die Kinder großzuziehen und dabei noch als Paar zusammen zu bleiben. Meiner Meinung nach kamen viele unserer Probleme aus dem gemeinsamen Haushalt in dem ich die Rechte und Pflichten nicht fair verteilt sah. In der ersten Zeit nach der Trennungsankündigung fühlte sich zumindest für mich die Trennung tatsächlich gar nicht so dramatisch an. In mir wuchs die Hoffnung, dass wir das mit den getrennten Haushalten tatsächlich schaffen würden. Und so baute ich in meinem Kopf kleine rosafarbene hochkomplexe Luftschlösser, bei denen unsere Freunde uns in Zukunft viel besser besuchen könnten da wir sogar über zwei Haushalte verfügen würden und noch mehr Platz hätten. So hätte jeder einen Rückzugsort und Friede Freude Eierkuchen - schwupps und wir wären wieder glücklich und zufrieden bis ans Ende unsere Tage. Leider hatte ich meine Überlegungen zwar blumig ausgeführt und richtig gut verkauft - bin aber leider auf keinen Abnehmer gestoßen. Mein Exmann sah die Sache um einiges nüchterner in Bezug aufs Finanzielle, die Außenwirkung und einfach die gesamte Machbarkeit des Modells. Wir kannten natürlich niemanden bei dem die Ehe in getrennten Haushalten geklappt hätte. Also konnte es natürlich nicht gut gehen. Nach wenigen Wochen wurde also diese potenzielle Möglichkeit verworfen.

"Tapferkeit ist ein Anfall, der bei den meisten Menschen schnell vorübergeht." (Mark Twain)

 

Wie auch immer das Modell ausgestaltet werden sollte - ich wollte mir bei meiner Entscheidung kein Hintertürchen offen lassen. Die Entscheidung war gefallen und diese war wohl nun wirklich gut genug überlegt. Deswegen habe ich nun alles unternommen damit es keinen weg zurück gibt. Und was gibt es besseres, als die Entscheidung öffentlich zu machen. Meine erste Anlaufstelle war tatsächlich meine Chefin, mit der ich mich super verstand und nach wie vor verstehe. Selbst die Mutter zweier Kinder und 100% berufstätig - durchaus mein Vorbild als Familienmanagerin! Ich habe ihr nach nur 3 Tagen von meiner Trennung erzählt - heulend in der Firmenkantine sitzend. Damit ich mich zusammenreißen kann habe ich extra viele potenzielle Zuschauer gewählt und es verlief recht glimpflich. Ich wollte sie unbedingt vorwarnen, dass ich meine Arbeitszeiten erhöhen würde und checken, dass das auch möglich ist. Damals war ich auf 80% und da würde ich sicher nicht mehr bleiben. Sie hat super verständnisvoll und hilfreich reagiert - gottseidank! Mit dieser Offenlegung war schon ein riesengroßer Schritt getan! Es gab kein zurück mehr ohne sein Gesicht dann doch zu verlieren. Jeder dem ich das in den kommenden Wochen und Monaten erzählt habe musste einige meiner Tränen über sich ergehen lassen - aber von Mensch zu Mensch wurde es besser und fühlte sich immer realer an. Nach nach einer Woche habe ich das meiner Mutter und dann meinem Vater erzählt - ebenfalls geschieden aber immerhin nach 25 Jahren Ehe. Ich erzähle meiner Mutter sonst alles sehr brühwarm und ausführlich. Das war das erste Mal in meinem Leben dass ich sie tatsächlich erstmal schonen wollte. Ich wollte sicher sein, dass ich das auch durchziehen will und kann und wirklich keinen Rückzieher mache. Ich wollte nicht mit ihren Emotionen spielen - hoch und runter und wieder hoch - das hatte sie schon alles während meiner Ehe mitgemacht. Ich wusste, dass sie mich bei meiner Entscheidung unterstützt - egal welche das sein wird. Und so war es auch. Sie hat zwar bis zuletzt nicht wirklich geglaubt, dass ich das durchziehe. War dann aber sehr stolz auf mich, wie ich alles gemeistert habe und war dabei eine riesige Stütze.

Was die weitere Kommunikation nach außen anging so war mein Exmann sehr restriktiv unterwegs. Die Außenwahrnehmung und Meinungen aus unserem Umfeld waren ihm schon immer extrem wichtig - egal wie es innen bei uns aussah. Und natürlich wurde die Situation um so realer und und die Entscheidung umso unwiderruflicher, je mehr Menschen davon erfuhren. Mein persönliches Umfeld, was mit ihm nichts zu tun hatte, durfte ich informieren. Aber keine gemeinsamen Freunde oder gar seine Verwandten. Glücklicherweise ließ sich das gut einrichten und ich habe lange eine gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Zu seinem 40sten Geburtstag - 4 Monate nach der Trennungsankündigung - habe ich unsere gemeinsamen Freunde köstlich bei uns bewirtet ohne dass jemand irgendwas gemerkt hat. Das war ihm wichtig und mein letztes bedeutendes Geschenk an ihn. Dann haben alle es nach und nach erfahren.


"Das Glück wohnt nicht im Besitze und nicht im Golde, das Glücksgefühl ist in der Seele zu Hause." (Demokrit)

 

Schon nach einigen Tagen habe ich mich bei diversen Immobilien-Suchportalen angemeldet. Ich bzw. wir haben uns kein bestimmtes Datum für den Auszug gesetzt also wusste ich dass ich alle Zeit der Welt habe um was Perfektes für mich und die Kinder zu finden. Warum bin ich eigentlich als Mutter ausgezogen - wie ungewöhnlich? Ganz einfach - es war zwar ein gemeinsam gekauftes Haus was aber zu einem sehr großen Teil er finanziert hat. Den Kredit haben wir zwar gemeinsam gezahlt aber auch im Grundbuch war er mit Abstand der, dem das Haus gehört hat. Beim besten Willen konnte ich mir kein Konstrukt vorstellen, bei dem es halbwegs fair wäre, dass er auszieht. Ich habe schon ein sehr stark ausgeprägtes Bewusstsein für Fairness bilde ich mir ein. Hätte ich um das Haus gestritten, wäre es das sichere Ende jeglicher vernünftiger Kooperation und Kommunikation zwischen uns gewesen. Außerdem war es nie mein Traumhaus - aber Seins! Es war mir zu kalt und düster und ungemütlich da über 4 Stockwerke verteilt trotz der gerade mal 120qm Wohnfläche. Es war eine gute Finanzanlage zu der damaligen Zeit. Aber irgendwie habe ich mich nie so wirklich heimisch hier gefühlt. Es war einfach nicht meine Traumvorstellung für die Zukunft. Für ihn schon - also habe ich es ihm überschrieben. Ganz ohne jegliche Diskussion und Streitigkeiten - ein Problem weniger!

 

"An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser." (Charlie Chaplin)

 

Jetzt stand nur ich vor dem Problem, eine neue Bleibe zu finden. Angemeldet bei den Immobilien-Suchportalen habe ich mich zwar früh, aber ehrlich gesagt habe ich das anfangs recht nachlässig verfolgt. Irgendwie war dann doch eine gewisse Hoffnung, dass nun die Situation besser wird, da der Auszug als Drohung im Raum stand. Leider war das aber nicht der Fall - "business as usual" lief mit einer zunehmend schlechter werdenden Stimmung weiter. Und dann habe ich verstanden, dass diese Ungewissheit zu der schlechten Stimmung enorm beitrug. Tatsächlich war der Auszug zeitlich überhaupt nicht absehbar bei der wohl allen bekannten Immobilienlage. Und dann schlug das Schicksal mal wieder zu!

 

Meine Mutter hat mir öfter Anzeigen aus den bekannten Immobilienportalen zugeschickt. Ich war da ehrlich gesagt eher genervt da ich das selbst gut genug in der Hand hatte. Wir erinnern uns - das schon bekannte Frauenproblem:-) Aber dann war eine Anzeige dabei, die ich tatsächlich nicht gekannt habe und dort habe ich gleich einen Besichtigungstermin ausgemacht - meinen ersten! Was für ein merkwürdiger Beigeschmack lag mir auf der Zunge, als ich meinem Exmann erzählen musste, dass ich einen konkreten Besichtigungstermin ausgemacht habe - 6 Wochen nach Trennungsankündigung. Wie muss es sich wohl für ihn angefühlt haben - gesagt und gezeigt hat er natürlich nichts. Das erste Mal hatte ich nun das Gefühl, am Anfang eines neuen Abschnitts im Leben zu stehen. Und nach fast 10 Jahren stand ich nun allein da - es war nicht mehr sein Weg...

"Der Zufall ist der einzig legitime Herrscher des Universums." (Napoleon)

 

Das schicksalhafte an dem Besichtigungstermin kam aber erst noch! Eines abends stand ich nun vor der fremden Tür und wurde von einem Makler begrüßt. Angekommen in der Wohnung kam mir aber plötzlich eine wohl bekannte Frau aus der Kita entgegen. Mein erster Gedanke: Oh - die suchen ja auch - mein zweiter: Oh - ich bin aufgeflogen! Der erste war nicht korrekt: nein, die suchten nichts, sie wohnten hier und wollten ausziehen da sie ein Haus gekauft hatten. Der zweite war richtig - denn irgendwie musste ich ja begründen, warum ich hier war. Die Mutter war mir gut bekannt und meine und ihre kleine Tochter waren beste Freundinnen - soweit man davon bei 2,5jährigen sprechen konnte. Also stammelte ich komplett umständlich, dass "nicht alle von der Familie" hier einziehen würden. Sie hatte es verstanden. Danach war die restliche Besichtigung für mich wie im Rausch. Dieses Eingeständnis hat mich viel Kraft gekostet. Ich war extrem nah am Wasser gebaut. Außerdem konnte ich das furchtbar bittere Gefühl nicht verdrängen, dass ich genau in diesem Moment vor den Scherben meines Familienlebens stand und diese perfekte glückliche Familie gerade ein neuen Zuhause gekauft hatte, in dem es weiterging. Bei mir nicht - es ging zu Ende. Es war so unglaublich deprimierend. Ich habe alles nur grob überflogen und kaum Fragen gestellt. Die Wohnung sah aber insgesamt auch einfach super aus. Vier Zimmer und eine praktische gemütliche Aufteilung - zu 90% genau das, was ich gesucht habe. Und die Entfernung zum Haus der Kinder war auch zu Fuß auch für Kinder sehr gut zu bewältigen. Ich wollte sie haben! Wollte mich aber auch nicht zu früh freuen - es waren insgesamt vier interessierte Familien dagewesen. Und ich? Wer war ich? War ich eine Familie - zusammen mit den Kindern? Was macht denn eine Familie so aus? Ich war partiell alleinerziehend - Alleinverdiener - wie unsicher aus Vermietersicht. Ich habe mir die Chancen als nicht sehr hoch ausgerechnet. Wenn dann wäre das doch bestimmt eher Mitleidsbonus - sollte mir aber auch recht sein. Das Schicksal hat es gut mit mir gemeint - warum auch immer:-) Ich habe die Wohnung nach einigen Tagen bekommen!!! Und das wirklich schicksalhafte kommt erst. Ich habe noch nie in meinem Leben eine "Paulina" getroffen. In den Medien und in Hollywood ok - aber nie im richtigen Leben. Das schien dann doch ein etwas exotischer Name zu sein. Das kleine Mädchen, die Freundin meiner Tochter, die in dieser Wohnung gewohnt hat - sie hieß PAULINA!

 

"Ein Kompromiss ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen." (Ludwig Erhard)

 

Die Wohnung war nun gesichert und der Auszugstermin stand fest - Anfang Juni - 6 Monate nach der Ankündigung des Auszugs. Nun ging das Auseinanderdividieren des gemeinsamen Haushalts los - kein einfaches Unterfangen. Aber wenn ich was kann, dann ist das organisieren. Und ich liebe Übersichten und Tabellen. Und eine solche Tabelle habe ich nun erstellt über alles was zu dem Haushalt gehört hat. Daraus ging hervor, von wem die Sachen eingebracht worden sind und wenn es gemeinsam gekaufte Gegenstände waren, dann haben diese einen Wert zugeordnet bekommen. Fairerweise habe ich auch nicht immer den Neukaufwert genommen sondern den aktuellen Wert der Dinge. Alles andere wäre nicht auszahlbar gewesen. Von diesem Gesamtwert der gemeinsamen Sachen habe ich dann die Hälfte von ihm ausgezahlt bekommen. Natürlich bleibt aber derjenige, der auszieht, mehr auf der Strecke - sozusagen als Strafe dafür dass er geht. Das ganze gemeinsame Werkzeug - wo sollte ich hin damit? Mein Keller in der Wohnung war winzig. Außerdem hatte ich von mindestens 60% der Sachen keine Ahnung, was es war oder gar wie ich das bedienen sollte. Alles für den Außenbereich - wohin damit? Ich hatte keinen Garten. Außerdem stand das Kinderklettergerüst da fest installiert und auch der Sandkasten. Und schließlich waren es Sachen der Kinder. Viele Gegenstände hätte er mir auch so mitgegeben wenn es um dekorative Dinge ging - aber auch hier hatte ich keinen Bedarf da in einer Wohnung nun mal viel weniger Platz ist als im Haus. Was solls - gehört doch auch den Kindern - habe ich mir meist gedacht.

 

"Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern." (Konfuzius)

 

Und dann kam auch schon das Packen. Ich muss gestehen - ich liebe umziehen! Da kann man sich so schön wieder über alles Gedanken machen, ob man das wirklich braucht oder nicht. Alles neu sortieren - sich mit schönen neuen Dingen eindecken, das alte entsorgen. Herrlich! Vor allem waren mein Exmann und ich oft unterschiedlicher Ansichten darüber, wie notwendig einen Anschaffung war und wie lange man doch den anderen Gegenstand noch verwenden konnte - ohne in Lebensgefahr zu sein. Wahrscheinlich wird es bei den meisten Paaren die gleichen Diskussionen gegeben haben. Aber bei uns fand ich den Ablauf dann doch mühsam - sehr mühsam. Für wichtige Anschaffungen musste ich am Besten eine "Management Summary" verfassen: eine kurze Abhandlung mit Bildern und Preisen in Form von Excel oder/und Powerpoint. Nein - natürlich hat er das nicht verlangt. Aber wenn ich eine Entscheidung haben wollte, war das der einzige sinnvolle und zeitlich überschaubare Weg zu einer Anschaffung. So wurden z.B. das Klettergerüst und die Kindergarderobe gekauft. Aber natürlich erst wenn man mehrere Nächte nochmal darüber geschlafen hat.

 

Nun war ich frei in meiner Anschaffungswut! Das erste Mal seit ich Kinder hatte, war es mir allein überlassen, über die Einrichtung zu bestimmen. Als erstes schaute ich natürlich, was schon da war und wir aufteilen konnten - was v.a. bei der Kinderkleidung und Spielsachen der Fall war. Aber auch Bettwäsche und Handtücher hatten wir zur Genüge. Dann habe ich die Kleinigkeiten, die für mich oder die Kinder relevant waren, wir aber nicht teilen konnten, nachgekauft und zwar noch vom gemeinsamen Geld, z.B. Kindergeschirr, Kinder-CD-Player, Besteck usw. Dann war ja genug da, um es noch zu teilen. Und erst am Ende habe ich dann die großen Sachen besorgt wie die Möbeleinrichtung und die Elektrogroßgeräte.

 

"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen."    (Albert Schweitzer)

 

So weit so gut zu den einfachen Dingen des Lebens. Das Materielle kann man regeln - es ist nicht immer einfach und definitiv nicht billig - aber man kann es regeln. Man kann es vor allem beeinflussen. Aber das Zwischenmenschliche, die Gefühle und insbesondere die von Kleinkindern - das war die wirkliche Herausforderung! Und vor der standen wir nun. Und ich sage auch bewusst WIR. Denn es waren ja UNSERE Kinder und deren Wohl lag UNS beiden am Herzen. Also musste wir auch eine gemeinsame Kommunikationsstrategie entwickeln und beide nicht zu verwirren und darauf optimal vorzubereiten, was kommt - das Wechselmodell. 

 

Ich habe etwas weiter ausgeholt, um Ihnen das kommende Modell näher zu bringen. Dazu muss man erwähnen, dass beide damals 6 und 4 Jahre alt waren, Junge und Mädchen, also war deren Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeiten durchaus unterschiedlich. Ich habe erstmal damit begonnen, beiden klar zu machen, dass es manchmal so ist, dass Papa und Mama nicht zusammenwohnen. Viele Beispiele kannten wir nicht, vor allem nicht mit kleinen Kindern. Aber wie der Zufall es wollte waren meine eigenen Eltern damals auch schon über 10 Jahre geschieden und wohnten natürlich nicht mehr zusammen. Das war schon mal der Anfang. Denn für beide war schon nachvollziehbar, dass man die Oma in einer Wohnung besucht hat und den Opa in einer anderen. Und wie der Zufall es nochmal wollte (bestimmt eine Freude für die Trennungsstatistiken), waren auch die Eltern meines Exmannes zumindest örtlich getrennt. Auch da waren zwei Wohnungen vorhanden. Leider war es natürlich für meine Kinder schwer nachzuvollziehen, dass ich überhaupt mal klein also ein Kind war, was dann quasi zwei Wohnungen bei Mama und Papa hatte - was gar nicht wirklich der Fall war, da ich damals bei deren Trennung schon 25 Jahre alt war. Aber es war mein erster Versuch, ein neues Selbstverständnis bei meinen Kindern zu etablieren.

Dann habe ich Bücher gekauft. Bücher über das Trennungsthema, das Wechselmodell, kleinkindgerecht geschrieben mit Bildern und einfachen Texten. Ein Buch mit sehr vielen Bildern über ein Mädchen, was bei Mama und Papa in zwei verschiedenen Wohnungen wohnte, fand ich sehr schön. Das haben wir dann immer wieder gelesen und auf der Basis diskutiert und philosophiert. Darüber, wie unterschiedlich die Wohnungen doch waren - Papa am Meer und Mama mitten in der Stadt. Darüber wie toll das doch war, dass das Mädchen zwei Kinderzimmer hatte mit verschiedenen Spielsachen. Und darüber, wie sehr das Mädchen Mama und Papa lieb hatte und natürlich auch immer denjenigen ein bißchen vermisste, bei dem es nicht war.

 

Dann wurde es konkreter und nachdem der Mietvertrag unterschrieben war und der Umzugstag feststand, habe ich den Kindern ganz einfach und direkt erzählt, dass Mama nun bald eine eigene Wohnung haben würde - in die auch sie mitkommen dürfen. Ich habe davon erzählt, dass die kleine Paulina dort vorher gewohnt hat. Und ich habe von den zwei tollen Kinderzimmern erzählt und der eigenen kleinen Toilette, die sie für sich haben würden. Und ich habe ihnen gleich in Aussicht gestellt, dass jeder sich ein großes Spielzeug als Einzugsgeschenk aussuchen dürfe. So weit so gut - der Rahmen war nun abgesteckt.

 

Und eine interessante Kleinigkeit zu diesem Thema wollte ich noch erwähnen. Mein 6jähriger hatte sich längere Zeit damit schwer getan, unsere neue Wohnung als Zuhause zu bezeichnen. Meist kam wirklich "deine Wohnung" oder einfach "die Wohnung". Das hat mich schon traurig gemacht und natürlich habe ich gehofft, dass sich das mit der Zeit gibt. Und eines Tages hatte er mich "aufgeklärt". Ich habe wieder von "Zuhause" gesprochen in Bezug auf die Wohnung. Er meldete sich leicht genervt und korrigierte mich: "Mama - das ist doch eine Wohnung und kein Haus! Man kann da nicht ZU-HAUSE sagen, besser ZU-WOHNUNG!" So viel zu der Logik von "Hauskindern", die vorher noch nie was anderes gekannt haben. Wir haben uns dann auf "ZUWOHNUNG" geeinigt als Übergangslösung - alles andere war erstmal einfach unlogisch - das muss man doch verstehen, Mama! Dann wurden im Laufe der Zeit daraus ein "Mama-Zuhause" und ein "Papa-Zuhause" - Ende gut alles gut - zumindest beim Wort ZUHAUSE.

"Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten." (Thomas von Aquin)

 

Die Arbeit des Aus- und Umzugs ging dann erst richtig los. Nicht nur physisch war es natürlich eine Herausforderung - der Vater der Kinder musste ja die Woche arbeiten und hatte wenn überhaupt dann nur abends und am Wochenende Zeit. Und Geduld war noch nie meine Stärkte - ich habe einfach selbst alles versucht. Emotional war es auch eine Grenzwanderung. Zwischen der Vorfreude auf das eigene neue Zuhause, was schön und nach meinen Wünschen eingerichtet sein würde. Und zwischen der tiefen Traurigkeit, nach und nach meine Habseligkeiten aus dem alten Zuhause mitnehmen zu müssen. Ich habe so weit es nur ging versucht, dass es den Kindern gar nicht groß auffällt, dass ich mich aus diesem alten Zuhause langsam "zurückziehe". Nach Möglichkeit habe ich alles gedoppelt und eher mir was Neues gekauft als irgendwas Bedeutendes mitzunehmen an dem sie erkennen würden, dass Mama nicht mehr da ist. Das schlechte Gewissen war mein ständiger Begleiter! Doch am Ende hat sich die ganze Mühe mehr als ausbezahlt - die Kinderzimmer sahen perfekt aus! Bis ins kleinste Detail habe ich diese durchgestaltet. Die Einzugsgeschenke standen bereit - eine Polizeiwache und ein großes Puppenhaus! Das Puppenhaus habe ich 2h lang heulend im Keller des Hauses zusammengebaut. Das ist schon eine faszinierende Mischung wenn man gleichzeitig lachen und weinen möchte - aber diese Kombination war auch mein ständiger Begleiter in dieser Zeit.

 

Und dann kam der Tag, an dem die Babies, wie ich beide immer noch nenne, ihr neues zweites Zuhause besuchen sollten! Unser Plan war es erstmal, dass die Kinder nur zum spielen vorbeikommen und nach wenigen Stunden wieder gehen - wie die Eingewöhnung in der Kita. Das erste Mal war ein voller Erfolg! Die beiden waren von ihren Zimmern begeistert. Die ganzen Spielsachen - überwiegend alte aber auch einige neue - und die schöne Einrichtung! Wir haben nach dem Spielen zusammen einen Picknick auf dem Boden gemacht - Möbel im Wohnzimmer gab es damals noch nicht. Aber es war ein super Erlebnis. Die Kinder haben noch Monate danach davon erzählt.

 

"Zuhause ist da, wo man dich wieder aufnimmt, auch wenn du mal etwas falsch gemacht hast."   

(Christian Morgenstern)

 

Sechs Monate nach Ankündigung des Auszugs kam nun - der Auszug! Ich habe es tatsächlich ohne professionelle Möbelpacker geschafft. Möbel und große Elektrogeräte hatte ich ja eh nicht und musste diese neu kaufen, die auch direkt in die neue Wohnung geliefert wurden. Also plante ich den Umzug nur mit der Hilfe meines Exmannes und meiner lieben Mama. Als ich den Schlüssel bekommen habe, hatte ich noch einige Tage Zeit, die Wohnung etwas auf Vordermann zu bringen. Überwiegend war alles gut erhalten, aber das ein oder andere Zimmer wollte ich dann doch nochmal weiß streichen. Und vor allem wollte ich alles durch und durch lupenrein haben. So genau putzt man wirklich nur einmal im Leben - beim Einzug.

 

Eine emotional bedeutende Angelegenheit lag mir besonders am Herzen: wann und wie zeige ich die Wohnung das erste Mal den Kindern? Ich hatte mich vorher in diversen Foren versucht schlau zu machen, welche Erfahrungen die Eltern so damit gemacht haben. Eine Sache ist mir dabei von einer Mutter in Erinnerung geblieben. Sie schrieb, dass ihre kleine Tochter das erste Mal von der Wohnung sehr enttäuscht war und erschrocken war, da an der Decke noch Kabel raushingen und die Kleine einfach nicht nachvollziehen konnte, wie man in dieser halben Baustelle wohnen, schlafen und spielen konnte. Dabei war beim Papa alles schön und vertraut - bei dieser Mutter und natürlich auch bei meinen Kindern. Sie hatten ein sehr schönes Zuhause - ich habe das ja auch mit aufgebaut. Also habe ich einen Mittelwert gewählt. Als ich das erste Mal meine Kinder für ein Paar Minuten mitgenommen habe, war die Wohnung zumindest schön sauber und glücklicherweise ach sonnig. Das war gleich ein freundlicherer Anblick. "Schlafen wir hier auf dem Boden?" war von beiden die vordringlichste Frage. Wir sind von Zimmer zu Zimmer gegangen und haben darüber diskutiert, was wo reinkommt. Ich habe auch versucht, ihnen meinen Grundriss-Plan zu erklären, in dem alle Möbel gedanklich und auf dem Papier platziert waren - das war aber einem 6jährigen und einer 4jährigen zu viel abverlangt:-) Auch bei dieser Aktion war mein erster Gedanke, das doch mit dem Vater der Kinder zusammen zu machen. Aber das hätte vielleicht die falschen Signale gesetzt - und so haben wir die Begehung nur zu dritt gemacht. Am Ende des kurzen Ausflugs hatten die Kinder zumindest schon eine konkrete Vorstellung von dem Konstrukt "Mamas Wohnung". Das nächste Mal, wenn sie wieder da wären, sollte alles perfekt sein! Mein fester Plan war es, die zwei Kinderzimmer wie kleine Insel in dem ganzen Chaos als erstes fertig zu stellen. Und zwar wirklich durch und durch fertig eingerichtet bis zu dem letzten Bild an der Wand. Ich wollte, dass sie sich gleich ohne viel Phantasie vorstellen können, wie ihr zuhause bei mir aussehen würde. Und das ist mir auch gelungen:-)

 

"Bei Tage ist es kinderleicht, die Dinge nüchtern und unsentimental zu sehen. Nachts ist das eine ganz andere Geschichte." (Ernest Hemingway)

 

Während die Kinder nun immer wieder da waren zum "schnuppern", habe ich die Wohnung so weit fertig gestellt, dass ich da übernachten konnte. Davor habe ich mich lange Zeit gedrückt:-( Eigentlich hatte ich vor das zu machen, während meine Mutter in der Umzugswoche noch bei mir war. Irgendwie dachte ich, dass es zusammen mit Mama etwas weniger schlimm ist. Aber dann habe ich beschlossen, doch ein großes Mädchen zu sein und es allein zu versuchen. Was für eine schlimme Überwindung:-( Ich habe an diesem Abend Rotz und Wasser geheult - es war so deprimierend! Das ganze Leben muss man da ja Revue passieren lassen - die schönen Dinge vergisst man halt auch nicht und genau in solchen Momenten holen sie einen ein. Genau da wird einem bewusst, dass man versagt hat! Das schöne Konstrukt Familie ist kaputt. Fast 40% alle Ehen in Deutschland werden geschieden. Fast 80.000 Ehescheidung sind mit Kindern (Quelle: Statista 2018). Aber in solchen Momenten sieht man nur sich in seinem Elend - ganz allein!

Nun war ich auch bereit, die erste Übernachtung mit den Kindern zu versuchen. Die beiden waren ja von der Wohnung begeistert! Sie haben sich immer beschwert, wenn ich immer wieder mal eine Nacht dort geschlafen habe ohne sie. Wann dürfen sie endlich mitkommen? Und es ist ja unfair, dass ich dort allein schlafen "darf"! Endlich durften sie das. Ich habe gedacht, es wird ein Kinderspiel. Mein Sohn hat genauso ein Hochbett gehabt und meine Tochter noch ihr kleines Babybett. Die liebsten Kuscheltiere waren mit. Das geliebte Nachtlicht - identisch zu dem im Haus. So weit es ging waren die Zimmer und die Betten kleine Kopien ihres vertrauten Zuhause. Nichtsdestotrotz - das erste Schlafengehen war sehr sehr mühsam. In der neuen Umgebung einzuschlafen war für beide doch befremdlicher und schwieriger als ich dachte. Das ständige Spielen war sicher hilfreich gewesen, aber das Übernachten war doch eine Nummer größer. Der Insbettbringprozess hat mehr als das Doppelte der Zeit gedauert - mit vielen Ablenkungen, Geschichten und Kuscheleinheiten. Die Müdigkeit hat dann irgendwann mal gesiegt. Und die Nacht selbst war ohne Vorkommnisse. Wir hatten einen weiteren Meilenstein geschafft!

"Die Zeit mag Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin." (Mark Twain)

 

Noch zwei Monate nach dem eigentlichen Umzug waren wir alle noch "Besucher" in der neuen Wohnung. Wir hatten noch keinen festen Rhythmus eines Wechselmodells, sondern waren immer noch im Modus "Schnuppern". Das heißt, dass sowohl ich wie auch die Kinder immer wieder mal in der Wohnung geschlafen haben, auch mal zwei Tage hintereinander. Aber der Lebensmittelpunkt war immer noch das Haus. Der Plan war es, nach den gemeinsamen Sommerferien endgültig und komplett umzuziehen und dann auch auch festen Wechselrhythmus einzuführen. Wir haben vereinbart, dass die Kinder jede Woche wechseln sollten zwischen den beiden Zuhause. Und in der Woche sollte es einen Tag geben, der anders gestaltet war, also in der Mama-Woche gäbe es einen Papa-Tag und umgekehrt. Der Wechsel nach weniger als einer Woche schien uns zu hektisch für die Kinder außerdem schwer auf der Arbeit zu erklären, damit die Kollegen die Transparenz behalten. Aber komplette Woche die Kinder nicht zu sehen war für mich nicht vorstellbar. Also wollte ich den einen Tag in der Woche zumindest anders haben. Außerdem sollten die Kinder sich zwar einleben in der jeweiligen Umgebung aber nicht zu sehr sich von dem anderen Elternteil entwöhnen - deshalb auch der Zwischenbesuch in der Woche des anderen.

 

Der Sommerurlaub war noch ursprünglich gemeinsam geplant da wir ihn ja auch fast ein Jahr im Voraus gebucht haben. Dann habe ich aber überlegt, dass es sinnvoller wäre, eine Woche an die Schwiegermutter abzutreten und die Chancen für Auseinandersetzungen zu minimieren. Also sind meine Babies erstmal ohne mich in den Urlaub gefahren - das erste Mal! Wieder ein schlimmer Meilenstein:-( Eine Woche nicht genau zu wissen wie es Ihnen geht und was sie so machen. Ich habe zwar immer wieder Fotos bekommen aber natürlich war das nicht das Gleiche. Ich habe diese Woche dann dafür genutzt das Haus "übergabereif" zu machen. Jede kleine Ritze habe ich gereinigt. Alles perfekt sortiert.Vorräte an allen dringen Sachen angelegt wie Kinderduschgel, Zahncreme und feuchtes Klopapier. Ja, ich weiß dass der Vater auch in der Lage war, in Geschäften einzukaufen - auch wenn er das manchmal nicht zeigte. Einmal hatte ich doch tatsächlich die folgende Frage bekommen: "Hmm, die Mülleimertüten sind ja wieder nachgefüllt - ich glaube, es gibt hier eine Quelle dafür im Haus oder?" Ja, die gab es, im Waschkeller! Ich wollte für die drei nun mal die bestmöglichen Startvoraussetzungen schaffen. Ich wollte nicht, dass die Kinder bei dem Wechsel der Haushalte Entbehrungen haben mussten. Beide Zuhause sollten gleich schön und wohnlich sein. Ich weiß, dass auch Männer es hinbekommen können, ein gemütlichen Zuhause zu schaffen. Aber diese Fähigkeit ist den meisten nicht in die Liege gelegt worden. Das ist auch meistens nicht schlimm, da sich in jedem Männerleben hilfreiche Frauen finden, die das gerne für sie übernehmen. Dafür sind den meisten Frauen andere Fähigkeiten nicht automatisch gottgegeben wie das Bohren von Wänden ohne dass diese wie nach einem Beschuss in Kosovo aussehen. Dafür hat man ja einander! Also habe ich mein Möglichstes getan, damit das Nest, was ich schon verlassen muss, so kuschelig wie möglich hinterlassen wird.

"Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid." (Leonardo da Vinci)

 

Und dann kam die schlimmste Zeit in meinem bisherigen Leben - die erste Woche ohne Kinder, in dem Wissen, dass sie nur wenige Meter von mir entfernt sind. Nach dem Urlaub sollte der Wechselrhythmus mit der Papa-Woche losgehen. Ich wollte, dass die Kinder nach zwei Wochen Urlaub sich erstmal in einer vertrauteren Umgebung wiederfinden - und das war nun mal nach wie vor das Haus. Am Rückkehrtag aus dem Urlaub haben wir beide die Kinder zusammen im Haus ins Bett gebraucht - und dann bin ich gegangen. Es war keine Nacht mehr im Haus für mich vorgesehen. So war nun mal der Plan. Ich habe schon an der Tür wie ein Wasserfall geheult:-( Und ich muss es meinem Exmann lassen - er war sehr verständnisvoll und schon so was wie liebevoll. Monate- und Jahrelang haben meine Tränen eigentlich nicht mehr so viel bewirkt - aber an diesem Abend schon. Er hat mich gedrückt und gesagt, dass ich nicht gehen muss, also zumindest nicht heute. Vielleicht erst morgen in der Wohnung übernachten oder übermorgen? Aber was bringt das alles? Da muss ich nun mal durch, heute oder morgen, aber eigentlich je schneller desto besser. Ich hasse die ersten Male! Es ist emotional so anstrengend, diese Ungewissheit und Unkenntnis zu ertragen. Also bin ich gefahren, nur drei Autominuten. Aber das war der Wechsel in eine neue Welt - meine neue Welt!

 

In der ersten Woche ohne Kinder habe ich eigentlich täglich den Abend mit Heulen verbracht. Ich habe gleich nach der Arbeit im Auto angefangen und die Stunde Fahrt gefüllt. Dann nach einer kurzen Essenspause weitergemacht. Leider hat mein Körper in der Zeit der emotionalen Belastung mir nicht den Gefallen getan, abzumagern. Das hätte der einzige positive Aspekt an der Sache sein können:-) Ich habe jeden zweiten Tag abends mit den Kindern telefoniert. Beide waren etwas irritiert und haben gefragt, wann sie zu mir können - und gottseidank gab es den einen Mamatag in dieser grausamen Woche.

 

"Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt." (Albert Schweitzer)

 

Dabei musste ich mich auch daran gewöhnen, dass ich nicht mehr jeden Tag wusste, was die Kinder in der Kita und Schule erlebt haben, mit wem sie gespielt haben und was sie gegessen haben. Ob Sie hingefallen sind und blaue Flecken hatten, bei denen sie nach einigen Stunden sich eh nicht mehr erinnern konnten woher die kamen. Aber für mich waren die blauen Flecken neu. Deren Erlebnisse waren neu. Immer wenn ich sie ein Paar Tage nicht gesehen habe, erschienen sie mir so viel gewachsener und erwachsener, und am Anfang immer leicht fremd. Was ein Paar Tage so ausmachen können:-( Ich musste mich daran gewöhnen, dass ich an ihrem Leben in den Papawochen nur mit einem Zeitverzug Anteil nehmen konnte wenn überhaupt. Ich muss mich daran gewöhnen nicht alles bestimmten und kontrollieren zu können. Und mit der Ungewissheit und der Hoffnung, dass alles schon gut geht, leben. Dabei kam uns unser doch relativ gutes Elternverhältnis zu Gute. Wir schrieben und schreiben uns fast täglich über WhatsApp und tauschen uns über die Kinder aus. Über Krankheitssymptome, Geburtstagseinladungen, Kita-Erlebnisse aber auch einfach über lustige Sprüche der Kinder. Und Fotos - wie wichtig doch die Fotos waren und sind! Wir tauschen oft Fotos der Kinder aus wenn wir was unternahmen. So eine Kleinigkeit ist es, dieses Foto dem anderen zu schicken. Und welche Freude erzeugt es bei dem anderen, der die Kinder entbehren muss. Wie schön ist es, wenigstens so einen kleinen Anteil an deren Leben nehmen zu können - auch wenn man nicht dabei sein kann! „Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ - wie wahr dieser Spruch ist habe ich erst im Laufe der Zeit verstanden. Niemand wird sich jemals so viel für und mit deinem Kind freuen wie der eigene Vater oder die eigene Mutter!

Nur so konnte ich die Papa-Woche überstehen. Am Sonntag habe ich die Babies dann abgeholt. Auch heute hole ich die Kinder meistens lieber selbst ab da ich dann auch deren ganze Jacken und Schuhe mitnehmen kann und mich nicht auf die Genauigkeit des Vaters verlassen muss. Auch jetzt war die Umstellung auf die Wohnung kein Selbstläufer. Bis heute ist es am Sonntag Abend immer etwas schwieriger, die beiden ins Bett zu bringen. Vor allem meine Tochter möchte dann "wieder zu Papi" und "dem Papi einen Gute-Nacht-Kuss geben". Mir zerreißt deren Leid immer das Herz - und auch heute kann ich diese Zeilen nicht schreiben ohne vor mich hin zu schniefen. Was sag ich dann? "Der Papa schläft schon" und "Du siehst den Papa nach dreimal schlafen" - am Papatag. Und irgendwann mal siegte wieder die Müdigkeit.

"Demokratie heißt, die Wahl haben. Diktatur heißt, vor die Wahl gestellt sein." (Jeannine Luczak)

 

Und immer wenn man denkt, man hat nun das Grausamste überstanden, belehrt uns das Schicksal eines Besseren. Das Wegbringen der Kinder zu dem Vater war anfangs der emotionale Tiefpunkt der Woche. Die beiden haben nach einigen Wochen begriffen, dass der Zustand wohl dauerhaft zu werden scheint. Und dann wurden die Abschiede vor allem von meinem Sohn richtig schlimm. Meine Tochter war schon immer eher Papa Kind und für Papa seine Prinzessin schlechthin. Sie war recht schnell gut in der Lage mir einen Abschiedskuss zu geben und zum Papi zu laufen. Mein Sohn war und ist da anders. Er war immer ein ausgeprägtes Mamakind. Er wollte alles zusammen mit mir machen, ich sollte ihn ins Bett bringen und bei mir wollte er bleiben. Die Diskussionen, dass er nicht zu Papa will, fingen teils schon am Freitag vor dem Wochenende an, wenn ihm klar wurde, dass er am Sonntag zu Papa "muss". Manchmal weigerte er sich, aus dem Auto zu steigen, wenn wir bei Papas Haus angekommen waren. Es war einfach nur grausam für alle Beteiligten! Was sollte ich machen?

 

Eine Grundregel haben wir bei unserem Wechselrhythmus immer befolgt: der Rhythmus steht und kann durch die Kinder nicht zur Diskussion gestellt werden - noch nicht zumindest, wenn beide 4 und 6 sind. Wir wollten von Anfang an den Kindern nicht das Gefühl vermitteln, als hätten sie eine Wahl. So schlimm und unfair und traurig das auch klingt - es war und ist keine Demokratie - die Wahl hatten und haben sie nun mal nicht! Ich bin beim besten Willen kein Erziehungsexperte und kein Kinderpsychologe - aber für meine Kinder schien es mir einfach das Richtige zu sein. Wie sollen sich den Kleinkinder in einer solch schwierigen Situation selbst entscheiden können? Sie lieben doch beide Eltern und waren es immer gewöhnt, dass beide immer verfügbar sind. Und nun? Meine Lösung bestand darin, den beiden das Konstrukt klar zu machen und glaubhaft zu versichern, dass wenn die Mama geht, sie auch bald wiederkommt - "nur dreimal schlafen" war immer unser Leitsatz. Nie habe ich den Kindern Fragen gestellt, die eine Entscheidung und Auswahl zwischen Papa und Mama nach sich zogen. "Wo möchtest du lieber hin?", "Wo gefällt es dir besser?" oder gar "Wenn hast du mehr lieb?" - das sind grausame Fragen für eine Kinderseele! Warum soll sich ein glückliches Kind, was zwei vollwertige schöne Zuhause hat, solche Fragen überhaupt stellen, sich darüber Gedanken machen zu müssen!? Deshalb wurde bei uns auch nie ausdiskutiert, ob man jetzt zu Papa fährt oder nicht - es war gesetzt. Und wenn etwas unveränderbar ist, dann versucht man damit zu leben und die Vorteile der Situation zu betonen. Bei Papa hast du einen tollen Garten und du kannst im Plantschbecken schwimmen - bei Mama gibts ja nur einen Balkon. Beim Papa stehen die Spielzeuge XY. Der Papa tobt mit euch so toll - Mama nicht wirklich, sie ist eher der Kuschler. Der Papa fährt mich euch Fahrrad - die Mama hätte nicht mal Platz für Fahrräder, ganz zu schweigen davon dass Mama sich 1000 schönere Dinge als Fahrradfahren vorstellen könnte. Der Papa kann mit dir zelten und wandern, er kann dir schnitzen beibringen und lauter andere Männersachen.

"Eine Mutter ist der einzige Mensch auf der Welt, der dich schon liebt, bevor er dich kennt." 

(Johann Heinrich Pestalozzi)   

 

Nach und nach haben diese Argumente gefruchtet, zumindest einbißchen. Die Abschiede wurden immer besser. Der Sonntag Abend wurde für mich nicht mehr der grausame emotionale Tiefpunkt der Woche, von dem ich mich tagelang erholen musste. Früher, an jedem Abend, an dem ich meinem weinenden Sohn zum Abschied winken musste, habe ich meine "Großzügigkeit" verflucht und es bedauert, meine anscheinend größeren Rechte als Mutter nicht ausgenutzt zu haben. Wie konnte ich als Mutter nur einen Tag ohne meine Kinder verantworten? Was tat ich ihnen nur an? In den schlimmsten Momenten kippte meine depressive Stimmung sogar so weit, dass ich mit dem Gedanken spielte, ganz auf sie zu verzichten, wie bei dem "salomonischen Urteil". Bei dieser biblischen Geschichte haben zwei Frauen um ein Kind gestritten und jeweils behauptet, es wäre ihr eigenes. König Salomon sollte den Streit mit seinem Urteil schlichten. Er wies daraufhin an, das Kind mit dem Schwert in der Mitte zu teilen und jeder Frau die Hälfte zu geben. Doch die richtige Mutter meldete sich zur Wort und verzichtete schweren Herzens auf das Kind - damit es nur am Leben bleiben könnte, selbst wenn die andere Frau es bekäme. Daran erkannte man die echte einzig wahre Mutter, die lieber auf Ihr rechtmäßiges Kind verzichtet, bevor dem ein Leid geschehe. Wir sehr mussten meine Kinder bei diesem Lebenskonstrukt Wechselmodell leiden? Bevor es sie innerlich zerriß, war es nicht besser, auf sie zu verzichten? Wieviele Väter stehen tagtäglich genau vor dieser Entscheidung, wenn sie die Rechtsstreitigkeiten mit der Mutter vor sich sehen? Den Kindern zuliebe doch nicht weiterklagen? Den Kindern zuliebe doch vielleicht einfach gehen? Nochmal neu anfangen? Auch Mütter können vor diesen Überlegungen stehen. Ich habe mich dafür entschieden, nicht auf die Kinder zu verzichten. Meine egoistische Liebe zu Ihnen hat es nicht zugelassen, dass ich einfach gehe und sie ihrem Schicksal überlasse. Mein Glaube daran, dass es irgendwannmal besser und einfacher sein wird, hat mich darin bestärkt, weiter zu machen. Mein Kinder sind ohne mich nicht besser dran und irgendwann mal werden wir alle in einem glücklichen und funktionierenden Wechselmodell angekommen sein - irgendwann mal!

 

"Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr." (Wilhelm Busch) 

 

An guten Abschiedsabenden, von denen es immer mehr wurden, standen meine Kinder fröhlich winkend an der Tür - und zwar sehr kurz, weil sie gleich zu Papi reinliefen zum Spielen. An diesen Abenden ging es auch Mami besonders gut. Es fühlte sich richtig an, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Die Kinder hatten plötzlich einen Papa, der was mit ihnen unternehmen musste, da er allein war und die Mama nicht einspringen konnte. An dieser Stelle würde mein Exmann sich lautstark beschweren und behaupten, er habe schon immer was mit den Kindern gemacht. Hmm, naja, sehe ich nicht so. Ich kann mich an viele Ausflüge mit Freunden erinnern, an denen ich mit den Kindern alleine teilnahm. Oder ans Drachensteigen direkt vor dem Haus, bei dem ich alleine wie eine Irre hinter dem Drachen her gerannt bin der sich auch noch im Baum verdreht hat. Meine Tochter hatte da eine interessante Logik geäußert. Sie war mit der Oma im Zoo gewesen und erzählte mir dann von den Tieren. "Und da habe ich eine Papa-Schildkröte gesehen" - ähm, Moment, warum sollte das Tier eine Papa-Schildkröte sein? An der Anatomie wurde es bestimmt nicht erkannt und sagen die Kinder nicht erstmal Mama zu einem unbekannten Tier? Ich war beleidigt und fragte nach Details. "Die Papa-Schildkröte lag die ganze Zeit in der Ecke" - wurde mir freundlich erklärt - "Und die Mama Schildkröte lief herum". Aha - na gottseidank! Alles hatte seine Richtigkeit. Die Papa-Schildkröten erkennt man also einfach an ihrer ruhigen Art und Weise - während die Mama-Tiere hin und her flitzen. Wie war das nochmal mit der Evolution? Wie man sieht, die Kinder lernen Zuhause fürs Leben. Meine lernen nun, dass auch ein Papa mit ihnen Plätzchen backen kann. Auch ein Papa kann eine Prinzessin geschmackvoll ankleiden. Auch ein Papa kann Bügelperlen basteln - oder zumindest bügeln. Er kann Laternen basteln und Geschenke für Kindergeburtstage besorgen. Und er kann Muffins fürs Geburtstagskind backen und dekorieren - auch wenn die Mutter das als ihr heiliges Gebiet sieht. Und manchmal kann man da als Mutter inspirierend unter die Arme greifen und dafür sorgen, dass der Papa als der Held darsteht. Kinder lieben Helden! Und Kinder wollen in beiden Elternteilen diese Helden erkennen. Nur so sehen sie auch, dass beide Elternteile sie lieben und für sie da sind. Und... zu Helden geht man gerne nachhause:-)

"Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann gestatten kann." (Otto von Bismarck)

 

Und was machte nun die Mama mit ihrer neugewonnenen Freiheit? In der ersten Zeit natürlich erstmal leiden, weinen, klagen, einfach traurig sein. Alles andere wäre höchst unanständig und von einer trauernden Mutter nicht zu erwarten. Aber dann erwachen doch die Lebensgeister und man lernt das Leben wieder neu kennen. Vor der Geburt der Kinder war die Freiheit grenzenlos, also wusste man diese gar nicht zu schätzen. Danach wurde sie zu einem kostbaren Gut, was man zu genießen sich gar nicht so richtig getraut hat. Wie kann eine Mutter ohne Kinder in der Nähe auch überhaupt glücklich sein? Jetzt, ohne Kinder in der Nähe, aber auch ohne die Möglichkeit, die Kinder in der Nähe zu haben, wurde die Freiheit zu etwas Besonderem. Ich wusste, dass diese "Auszeit" von den Kindern nur vorübergehend ist und ich mich auf die Zeit mit ihnen freuen konnte. Aber bis dahin konnte ich meine Freizeit genießen. Am Anfang bestand diese daraus, einfach gar nichts zu machen. Ich habe es genossen, einfach gar nichts zu planen und ganz spontan irgendwas zu beschließen, sich ins Auto zu setzen und wegzufahren - ohne sich mit jemandem abstimmen zu müssen! Was für ein Luxus! Ohne eine halbe Stunde lang ins Ankleiden der Kinder zu investieren nur um dann festzustellen dass einer auf die Toilette muss. Ich habe viel Zeit mit dem restlichen Einrichten der Wohnung verbracht, viel dekoriert oder Rezepte mit meinem geliebten Thermomix ausprobiert. In der kinderfreien Zeit konnte ich natürlich auch wunderbar entspannt putzen und einkaufen. Nach und nach bin ich aber dazu übergegangen, das auch zusammen mit den Kindern zu machen. Schließlich waren das alles Vorgänge, die nun mal zu einem normalen Alltag gehören. Das Weggehen war dagegen so eine Sache. Meine Freunde und Bekannte hatten überwiegend Kinder und genossen nicht die gleiche Freiheit wie ich. Sie konnten nicht in den Tag hinein leben und auch nicht bis in die Puppen aufbleiben. Mein Ausgehkonsum hielt sich also in Grenzen, was aber wunderbar zu meinem Leben passte. Durch die Kinder bekommt das Leben nun mal einen anderen Rhythmus. Ich konnte nicht mit Kindern am Wochenende um 7 aufstehen und ohne Kinder um 10 - also versuchte ich zumindest im Schnitt bei 7:30 bis 8 Uhr zu landen:-)

"Alle Männer sind gleich, bis auf den, den man gerade kennen gelernt hat." (Mae West)

 

Nach und nach machte sich ein anderes Bedürfnis breit - nach Nähe und Zuneigung, die mir Kinder allein nicht geben konnten. Fast ein Jahr nach der Trennungsankündigung und ein halbes Jahr nach dem Auszug fühlte ich mich bereit, jemand Neuen kennen zu lernen. Dafür wird jeder einen anderen Zeitpunkt als optimal empfinden. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mehr Liebe zu geben hatte, als meine Kinder benötigt haben. Also habe ich das gemacht, was ich schon vor 10 Jahren mit Erfolg gemacht habe und mich in einem Datingportal angemeldet. Diesmal fühlte sich aber das Ganze ziemlich anders an. Mit 26 liegt die Welt einem zu Füßen - man muss nur zugreifen und selektieren. Mit zwei Kleinkindern im Gepäck haben die Männer ein doch etwas realistischeres Bild von der potenziellen Beziehung mit der Mutter. Einfach und ungezwungen verspricht es nicht zu werden. Allein bei der Anmeldung bin ich schon an der Frage gescheitert, wo die vorhandenen Kinder nun wohnen. Beide Alternativen passten nicht - bei mir selbst oder dem Vater - beides falsch. Das Wechselmodell stand hier nicht zur Auswahl. Ich habe mich, emanzipiert wie ich manchmal bin, sogar bei dem Anbieter beschwert. Wenn es mehrere bemängeln, dann würden sie die Auswahl entsprechend anpassen, war die Aussage. Anscheinend gab's aber nicht genug Interessenten.

Was wollte ich eigentlich genau? Diese Frage konnte ich mir erst im Laufe der kommenden Wochen beantworten durch die Kommunikation mit verschiedenen Männern. Zumindest was ich nicht wollte wurde mir schneller klar. Die Männer konnte ich nach einer Weile ganz gut in verschiedene Gruppen einteilen:

  • Gruppe 1: relativ frisch Getrennte mit Kindern, ziemlich verbittert, eigentlich noch dabei, die Wunden zu lecken, nicht wirklich bereit, was Neues einzugehen, aber sehr bereit zu reden --> diese Gruppe war für einen Gedankenaustausch zu dem Thema Trennung und Umgang mit den gemeinsamen Kindern sagen wir mal sehr nützlich, mehr aber auch nicht. Dabei lernte ich so einige Horrorgeschichten einer Trennung aus Männersicht, erschreckend, frustrierend und sehr verwundernd über das eigene Geschlecht. Und meistens haben die armen Männer doch wirklich überhaupt nichts Schlimmes gemacht - wirklich! Können Frauen wirklich so böse sein?
  • Gruppe 2: Sunnyboys um die 50, ohne Kinder, Karrieretypen, sich gegen Familie mal entschieden oder noch besser "nicht die Richtige zum Kinderkriegen gefunden", dabei aber eine Frau mit Kindern kontaktieren - warum? Hmm, diese lässt einen vielleicht eher in Ruhe mit einem Kinderwunsch, der schon erfüllt wurde und ist dabei immer noch jung genug für gemeinsame Freizeitgestaltung --> diese Gruppe war stark daran interessiert, zu verstehen, wie oft die Kinder den wirklich da wären und sein müssten und wie genau denn der Kontakt zum Vater der Kinder noch aussah. Gab es da noch genug Platz im Leben der Frau für deren Wenigkeit und den Porsche, der natürlich mit Kindersitzen ausgestattet werden konnte? Können Frauen wirklich so primitiv sein?
  • Gruppe 3: nette Durchschnittstypen knapp über 40 mit einem latenten Kinderwunsch, auch "noch nicht die Richtige zum Kinderkriegen gefunden" - aber schön wärs doch! Ja ok, eine Frau mit Kindern ist da nicht optimal und sicherlich nicht die erste Wahl, aber was tun, wenn man in der unmittelbaren Umgebung alles schon abgegrast hat? --> diese Gruppe interessierte sich sehr früh für meinen eventuell noch vorhandenen Kinderwunsch und war natürlich auch sehr daran interessiert wie hoch die Chancen einer Wiedervereinigung zwischen den Eltern waren. Ja, Frauen sind schon darüber geschmeichelt, wenn man mit ihnen Kinder haben will, aber wirklich nicht mit jedem!
  • Gruppe 4: die Randgestalten, die ihren Standard-Text schon wirklich bei Jeder mal in die Kontaktaufnahme reinkopiert haben, teilweise zweimal, ohne Erfolg und mit zunehmender Verzweiflung. Wofür soll man das Profil überhaupt lesen - die schreibt doch eh nicht zurück! Kinder, welche Kinder? Ach so, ja auch ok.

"Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand." (Blaise Pascal)

 

Nur wenige Individuen ließen sich in keine dieser Gruppen einordnen. Aber es musste ja auch nur EIN Richtiger dabei sein, der dann als Vorweihnachts-Wunder mir über den Weg lief bzw. auf mein Profil aufmerksam wurde. Eine faszinierende Begegnung aus der eine wunderbare Beziehung geworden ist. Und wie meine Freundinnen verwundert gefragt haben - ja, es fühlt sich mit fast 40 auch nicht anders an als damals mit 20! Nun ist schon bald ein Jahr vergangen und ich habe an diesem Richtigen immer noch nichts zum Aussetzen gefunden. Er ist schon lange getrennt und hat zwei ältere Kinder, verspürt keinen latenten Kinderwunsch trotz der Aussicht auf die lebenslange Bindung an meine Wenigkeit. Er befindet sich sicherlich nicht am verzweifelten Rande von irgendwas und bringt mich eher an den Rand des Wahnsinns wenn mir das immer wieder bewusst wird. Und.... er hat ein Auto, in das Kindersitze reinpassen - und es ist kein Porsche:-)

 

"Die Liebe der Eltern zu ihren Kindern ist das einzige vollkommen selbstlose Gefühl."

(William Somerset Maugham)

 

Und so leben wir nun in unserem Wechselmodell - mal zu dritt und mal zu viert - und manchmal auch allein. Das Leben geht nun seit über einem Jahr diesen neuen Rhythmus, mit dem alle Beteiligten mal mehr mal weniger zufrieden sind. Es ist ganz sicher selten Friede, Freude, Eierkuchen bei uns - aber es funktioniert! Unsere Kinder bekommen von uns so viel Normalität wie es nur geht - und zwar von uns beiden. Der Papa ist nicht der Wochenend-Unterhalter, der an ein bis zwei Tagen in der Woche alles geben muss und dennoch von der Realität seiner Kindern kaum etwas mitbekommt. Die Kinder kennen den Alltag bei Papa und Mama - und es ist nicht der gleiche Alltag. Unsere Gemeinsamkeit ist das Kindeswohl, ist der Wille, für unsere Kinder das Beste zu geben, damit sie zu glücklichen, gesunden und kompetenten Menschen heranwachsen. 


In diesem Zusammenhang bin ich auf den Brief von Dr.Karin Jäckel gestoßen: „20 Bitten von Kindern an Ihre geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern“. Ich kann diese Sätze auch Jahre nach der Trennung immer noch nicht lesen, ohne heulen zu müssen. Es ist so empathisch formuliert, dass es jedes Mal direkt ins Herz geht. Eigentlich sollten Bitten wie „Fragt mich nicht, wen von euch beiden ich lieber mag“, selbstverständlich sein, sind sie aber leider ganz oft nicht. Am bewegendsten finde ich die folgende Bitte: „Gebt mich nicht wie ein Paket vor der Haustüre meines anderen Elternteils ab. Bittet den anderen Elternteil für einen kurzen Moment rein und redet darüber, wie ihr mein schwieriges Leben einfacher machen könnt. Wenn ich abgeholt oder gebracht
werde, gibt es kurze Momente, in denen ich euch beide habe. Zerstört das nicht dadurch, dass ihr euch anödet oder zankt.“ Das Letztere gelingt uns leider auch nach Jahren nicht wirklich gut, daher tut diese Bitte besonders weh, da ich sie leider oft nicht erfüllen kann.


"Das höchste Glück im Leben besteht in der Überzeugung, dass wie geliebt werden." (Victor Hugo)

 

Nichtsdestotrotz haben wir durch das Modell viel mehr gelernt, die Andersartigkeit des Anderen zu schätzen oder zumindest zu akzeptieren, was uns währendder Beziehung nicht mehr so wirklich gelungen ist. Und die Kinder spüren, dass Papa und Mama miteinander besser zurechtkommen, sich austauschen und alles über sie wissen, auch wenn sie nicht selbst dabei gewesen sind. Das schafft Vertrauen und eine solide Basis, dieses Modell auch für die kommenden Jahre aufrecht erhalten zukönnen. Die Kinder spüren, dass Papa und Mama sich wirklich bemühen und fühlen sich trotz der Trennungssituation mehr geliebt.

Natürlich werden wir die Kinder nicht ihr Leben lang vor vollendete Tatsachen stellen können und sie mit den zwei Haushalten und dem festen Wechselrhythmus konfrontieren. Wenn sie älter werden, werden sie vielleicht andere Präferenzen äußern und wir werden diese mit mehr Demokratie anhören und im Familienrat diskutieren. Aber bis dahin werden sie eine faire Chance bekommen, beide Elternteile zu erleben und das Beste aus beiden Welten mitzunehmen. Mit beiden streiten können und sich versöhnen, Schönes mit beiden erleben und die Traurigkeit mit beiden teilen, so wie es auch anderen Kindern möglich ist, die in intakten Familien in einem Haushalt aufwachsen. Und sie werden als Erwachsene auf eine erfüllte und schöne Kindheit zurückblicken können, ihren eigenen Weg finden und vielleicht irgendwann mal sagen können: "Das habt ihr beide gut gemacht."