Der Wechselrhythmus

Der Wechselrhythmus mit den Kindern im Wechselmodell

 

"Man soll die Dinge so nehmen, wie sie kommen. Aber man sollte auch dafür sorgen, dass die Dinge so kommen, wie man sie nehmen möchte." (Curt Goetz)

 

Nach welchem Modell schafft man es schon am Besten als Mutter aber auch als Vater, auf seine Babies einige grausame Tage zu verzichten? Nach keinem! Es gibt kein ideales Modell, bei dem jeder glücklich ist – sowohl beide Eltern wie auch die Kinder. Alles andere wäre gelogen. Aber man kann sich nach und nach einem Modell nähern, was für alle – sagen wir mal am verkraftbarsten ist. Es ist kein Selbstläufer und kostet viel Abstimmungsaufwand, viel Verständnis für einander und viel Einfühlungsvermögen. Kinder sprechen sicher nicht alle Missstände an und fressen auch gerne Dinge in sich hinein, was die Ausgestaltung noch schwieriger macht. Und sicher ist nicht für jede Familie ein ganz bestimmter Wechselrhythmus ideal. Dafür ist die Ausgangssituation in jeder Familie zu unterschiedlich. Ich habe in meinen Recherchen gelernt, dass das Wechselmodell zwar nur eine Bezeichnung hat aber ganz viele Ausgestaltungsmöglichkeiten, die die Bedürfnisse aller am Besten erfassen.

 

Nun aber erstmal zu unserer Ausgangssituation. Ich und mein Exmann haben die Arbeit auf 90% reduziert. Er ist dabei bis heute geblieben da er stempeln muss und damit seine Arbeitszeit genau erfasst wird. Ich bin inzwischen wieder auf 100% hochgegangen, da ich freie Arbeitszeiteinteilung habe und auch von zuhause arbeiten kann. Damit bin ich flexibel und kann auch am Abend arbeiten wenn die Kinder im Bett sind. Mein Jobinhalt hat sich über die letzten Jahre nicht geändert, ob ich nun 80%, dann 90% und nun 100% gearbeitet habe. Wir beide hatten damit zeitlich die gleiche Ausgangssituation. Die andere wichtige Komponente sind die Finanzen. Gottseidank haben wir beide immer ziemlich gleich gut verdient und waren damit immer auf Augenhöhe. Die Reduzierung der Arbeitszeit hat damit auch zu der gleichen finanziellen Lage geführt. Als Frau war ich damit auch nicht schlechter gestellt als er als Mann – und das war die wichtigste Voraussetzung für unser paritätisches Wechselmodell. Keiner musste mehr arbeiten, da sein Einkommen viel höher war. Keiner musste dadurch mehr auf die Kinder verzichten. Jeder von uns konnte es mit dem Arbeitgeber vereinbaren, die Arbeitszeiten entsprechend zu reduzieren und individuell anzupassen. Zeitlich und finanziell konnten wir uns also das paritätische Wechselmodell beide leisten ohne dass irgendwelche Unterhaltsansprüche gegeneinander im Raum stehen würden. So viel zu der rein sachlichen Betrachtung der Situation.

"Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen. Aber das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen." (Joseph Joubert)

 

Viel schwieriger war aber die emotionale Situation, die Befindlichkeiten aller Beteiligten. Die Vorstellung, auf seine Kinder, die man vorher täglich gesehen hat, tagelang verzichten zu müssen, ist ein Alptraum für jedes liebende Elternteil. Und wie schlimm war es erst für die Kinder? Tagelang ist die Mama nicht da, dir vorher fast jeden Tag sie ins Bett gebracht hat. Zumindest da hatte der Papa es eine Spur einfacher, da er nicht jeden Abend aufgrund seiner Arbeitszeiten pünktlich vor dem Zubettgehen zuhause sein konnte. Aber die Mama war doch abends gesetzt! Allein bei dieser Vorstellung scheitern ganz viele Paare, die trotz einer furchtbaren Beziehung sich diesen Alptraum in Bezug auf die Kinder nicht vorstellen können. Ich habe sehr lange dafür gebraucht, mir erstmal nur im Kopf vorstellen zu können, wie es ist, wenn ich die Kinder einige Tage nicht sehe. Als sie noch kleiner waren und noch Schnuller und Windel hatten, war diese Situation unvorstellbar grausam. Je größer sie wurden und je mehr sie sprechen und verstehen konnten – also alles in einem je selbständiger sie wurden, desto mehr konnte ich mir das überhaupt vorstellen, sie einige Tage nicht zusehen. 

Über die konkrete Ausgestaltung haben wir lange miteinander gesprochen. Natürlich nur zu zweit da man von einer zwar sehr klugen aber doch 3-Jährigen und einem 6-Jährigen noch nicht so viel Konstruktives dazu erwarten konnte. Was aber nicht bedeutet, dass wir nicht bei Anzeichen bei den Kindern das Modell hier und da leicht angepasst haben. Naheliegend waren die folgenden Alternativen:

1.) Tageweiser Wechsel (3 Tage Mama – 4 Tage Papa, usw. – dann wieder etwas anders, da das Wochenende gewechselt werden sollte): zuerst mein Favorit, da man maximal 3 Tage die Kinder nicht sehen hat. Aber in der Planung ein Alptraum! So ein schneller Wechsel würde dazu führen, dass die Kinder wirklich nicht mehr durchblicken wo sie jeden Tag aufwachen und warum. Die Transparenz für die Außenwelt wäre auch minimal. Wie sollte man Kollegen erklären, wann man nun nachmittags im Büro war und wann nicht. Auf den erste Blick wäre keine Logik erkennbar. Und die Mitschüler? Wie sollten sie durchblicken, wann mal mein Sohn mit dieser oder mit der anderen Laufgruppe in die Schule ging? Sehr kompliziert für alle Beteiligten! Deswegen kam das für uns nach längerer Überlegung nicht in Frage – auch wenn die Trennung von den Kindern hier am kürzesten wäre.

2.) Wochenweiser Wechsel: einfach zu verstehen – für alle Beteiligten! Aber natürlich unvorstellbar lange Trennung von den Kindern – das konnte nicht wirklich für alle das Beste sein!

"Der Anfang aller Weisheit ist die Verwunderung." (Aristoteles) 

 

Also haben wir unser eigenes Modell entwickelt – nach viel konstruktiven Diskussionen. Wochenweiser Wechsel machte wirklich viel Sinn. Nur emotional war es schwierig zu verkraften, so lange die Kinder nicht zu sehen. Also haben wir einen Mama-Tag in der Papa-Woche eingeführt und einen Papa-Tag in der Mama-Woche! Die Kinder wissen, dass die ganze Woche sie bei Papa schlafen. Aber einen Tag in der Woche sind sie bei Mama und umgekehrt. So kommt es, dass ich die Kinder maximal 3 Tage lang nicht sehe wenn sie bei Papa sind. Für den einen Tag brauchen Sie auch nur die Jacken und Schuhe bei mir, die sie auch am Körper tragen. Hier müssen wir nichts gesondert austauschen. Ich freue mich dann total, in meiner langen Arbeitswoche, die Kinder einmal abzuholen und einen schönen Nachmittag ohne Arbeit miteinander zu verbringen. Und in meiner Kinderwoche freue ich mich darauf, auch einen Tag länger zu arbeiten mit Meeting am Nachmittag, die ich in der Woche nur auf diesen einen Tag legen kann. Und am Abend kann ich dann meinen Freund treffen oder mit Freunden ausgehen. Damit alle wiederum die Transparenz behalten, legen wir diesen Tag zu 90% auf den Mittwoch so dass die Woche optimal geteilt ist. Wenn ich aber Ganztagsmeetings oder Kundentermine habe, so schieben wir diesen Tag auf Dienstag oder Donnerstag – aber nur in Ausnahmefällen.  

"Oh welche Zauber liegen in diesem kleinen Wort: Daheim." (Emanuel Geibel)

 

Übrigens haben wir an der genauen Ausgestaltung des Papa- bzw. Mama-Tages noch eine Zeit lang herumgewerkelt. Ursprünglich war nämlich die Idee, dass die Kinder besser einen festen Schlafplatz für einen längeren Zeitraum haben, nämlich die vollen sieben Tage der Woche. Das führte nun dazu, dass wir zwar die Kinder in der Woche des anderen abgeholt haben (damals waren noch beide im Kindergarten). Dann aber die Kinder nicht zu uns nachhause genommen haben, sondern zu dem anderen Zuhause gebracht haben, was in der Woche auf dem Plan stand. Das war natürlich nur durch einen Umstand möglich – wir hatten jeweils den Schlüssel des anderen! Für die Kinder stellte das eine gewisse Konstanz her, brachte für uns aber eine Menge Komplikationen mit sich. Die Grundsatzfrage nach dem Schlüssel des anderen war dabei noch nicht mal das größte Problem. Wir haben nun auch fast zwei Jahre nach der Trennung immer noch den Schlüssel vom anderen Zuhause der Kinder behalten was wirklich viele praktische Aspekte beinhaltet. Ein schlimmeres Problem war die Tatsache, dass wir durch diese Regelung quasi „die Welt“ des Anderen nicht verlassen haben. Alles was mich am Zusammenlegen gestört hat, musste ich an diesem Nachmittag und Abend im Haus des Vaters wieder akzeptieren, z.B. die grundsätzlich Kälte im ganzen Haus, die unterschiedlichen Ansichten über Ernährung, die Sauberkeit, usw. Und durch die Tatsache, dass man ja allein mit den Kindern im Haushalt des Anderen war, war man ja temporär dort der Chef. Und in der Rolle hatte ich wieder angefangen, eigenes Essen mitzubringen und gelegentlich dies und das aufzuräumen, was auf Dauer wirklich nicht ohne Konflikte verlaufen wäre. Solange der Andere noch auf der Arbeit war, haben wir die Kinder gefüttert, gewaschen und oft in Bett gebracht, wenn es doch spät wurde. Und dann saß man auf dem Sofa als „Gast“ und wartete, bis der Hausherr zurückkam. Für mich was das ehrlich gesagt auch emotional belastend, denn es war ja mein Exhaus und nun war ich Besucher – ganz merkwürdiges Gefühl.

Im Kindergarten haben die Kinder es noch leicht gehabt, da sie abgeholt wurden und wir Ihnen nur gesagt haben, wer sie jeweils abholt. Als mein Sohn in die Schule gekommen ist, wurde die Planung schon schwieriger. Er läuft die 15min-Schulweg zu Fuß nachhause – sowohl zu Mama wie auch zu Papa. Und er muss selbst genau wissen, zu welchem Zuhause er denn heute laufen soll. Damit der kleine Mann hier auch unabhängig von mir einen Durchblick behält, habe ich einen kleinen „Stundenplan“ für ihn geschrieben, denn ich hier eingefügt habe. Jeden Tag kann er so sehen und lesen – denn das lernt er ja nun in der Schule, zu wem er nach der Schule gehen soll. Und da es in der Woche ja nur einen Wechsel gibt, ist es nicht so schwer, hier den Überblick zu behalten. Diesen Plan schreiben wir jeden Sonntag zusammen auf und stecken diesen in den Schulranzen.

"Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Dingen, die uns lieb sind, immer ein wenig wärmer."               (Michel de Montaigne)

 

Zum Ende dieser Regelung haben aber schließlich die folgenden zwei Gegebenheiten geführt. Erstes natürlich die Emotionen der Kinder, auf die wir nach Möglichkeit immer Rücksicht nahmen. Es war sehr schwer zu gehen, wenn man die Kinder bettfertig gemacht hat und der Andere kam von der Arbeit nachhause. Die Abschiede waren meist schlimm. Weinende, winkende Kinder standen am Fenster, während die Mama ging und sie hatten ja langsam verstanden, dass sie nun mehrere Tage nicht mehr zu greifen war. Es war also nicht die beste Zeit, da das Haus zu verlassen, wenn die Kinder noch wach waren. Allerdings war es genauso schlecht, das Haus zu verlassen, wenn sie schon schliefen. Mein Sohn formulierte das mal so: „Wenn ich nun einschlafe und morgen aufwachse, bist du einfach weg.“ Es fiel ihm auch schwer, Abschied zu nehmen, weil er nicht genau mitbekam, dass ich ging und mir winken konnte was für ihm zum Abschied einfach dazugehörte. Beide Alternativen waren also miserabel. Wir hatten weinende verstöre Kinder und sehr angespannte Erwachsene.

Eine andere Lösung musste her. Und dann kam als Anstoß – die neue Liebe. Ich hatte ja in halbes Jahr nach dem Auszug jemanden kennengelernt, denn ich dann so oft wie möglich sehen wollte. Da aber ich die Kinder erst nach längerer Zeit ins Spiel gebracht habe, musste ich auf die Tage ohne Kinder warten. Das hätte mit der damaligen Lösung bedeutet, dass ich meinen neuen Freund eine Woche komplett nicht sehe – das war hart! Oder aber ich an dem Papa-Tag in meiner Woche abends nach der Arbeit noch meinen Freund treffe, während mein Exmann auf meinem Sofa sitzt und auf unsere schlafenden Kinder aufpasst. Auch eine sehr suboptimale Lösung, mit der keiner zufrieden wäre. Angesichts dieser Situation und der traurigen Abschiede von den Kindern haben wir dann beschlossen, den Mama- und den Papa-Tag auch im Mama- und Papa-Zuhase stattfinden zu lassen. Das bedeutete dann nun mal, dass einmal in der Woche die Kinder den Schlafplatz wechseln mussten. Aber ich muss sagen, dass haben sie ohne jegliche Probleme weggesteckt und sich auf diese Abwechslung sogar gefreut. Damit war auch die Übergabe am nächsten Tag absolut unproblematisch – entweder über den Kindergarten oder die Schule. In beiden Fällen waren die Kinder so abgelenkt von dem Spielort, dass die Trennung von der Mama überhaupt nicht mehr so bewusst wahrgenommen wurde. Damit war das Modell wieder ein Stück an die Bedürfnisse aller angepasst gewesen.

"Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen." (Konfuzius)

 

Wochenweiser Wechsel mit einem Mama- bzw. Papa-Tag in der Woche des jeweils anderen – darüber herrscht seit nun fast zwei Jahren Einigkeit. Doch dieser Grundsatz ist zwar die Basis des Gerüst, aber die gesamte Jahresplanung ist viel viel komplizierter als man am Anfang denken würde. Damit erzähle ich aber den meist weiblichen Familienmanagerin nichts neues! Nur in diesem Konstrukt ist es eine Planung mit einer Unbekannten – nämlich dem Expartner. Sicher war eine solche Planung früher auf dem Sofa nebeneinander viel einfacher – auch wenn die Begeisterung auf der anderen Seite dafür schon immer nicht überragend war. Aber schließlich haben beide ein Interesse daran, wann nun im Jahr verteilt Feiertage, Ferientage und Kitaschließungstage liegen und wann wichtige Feste und sonstige Ereignisse sind. Und vor allem muss ja eine gerechte Aufteilung der Pflicht-Schließungstage aller Betreuungseinrichtungen gewährleistet sein damit alle mit dem Arrangement zufrieden sind. Konkret bedeutet das bei uns, dass sowohl Mama wie auch Papa gleich viele Tage Urlaub nehmen damit die Schließungstage überbrückt werden können. Die folgende Übersicht mit Leben zu füllen kostet mich jedes Mal Stunden, am Anfang eher Tage. Aber dafür haben wir beide eine perfekte Transparenz über unsere Kinderbetreuungszeiten. Wir können auf den erste Blick sehen, dass die Aufteilung der Schließungstage aufgeht und dies jährlich anpassen. Und wir können sehr gut im Voraus Urlaube planen und gleich auch buchen. Auch die Kinder verstehen nach und nach, dass sie sich auf eine nachvollziehbare Wechsellogik verlassen können. Dabei habe ich auch solche „Kleinigkeiten“ bedacht, wo die Kinder an ihrem Geburtstag aufwachen. Auch das soll egal wie der Geburtstag im Jahr nun liegt, jedes Jahr abwechselnd erfolgen. Damit fühlen sie sich zu jedem zuhause gleichermaßen emotional zugehörig. Aus meiner Sicht tragen viele solcher Kleinigkeiten dazu bei. Wie genau wir die Familienfeste nun ausgestalten habe ich in einem separaten Kapitel zusammengefasst. Das ist ein wichtiger Punkt für sich.

"Reden lernt man nur durch reden." (Marcus Tullius Cicero)

 

Über den grundsätzlichen Wechselrhythmus habe ich nun viel geschrieben. Das waren nun überwiegend sachliche Daten und Fakten zu der Modellausgestaltung. Wie genau macht man nun aber einen solchen Wechsel von Mama zu Papa und umgekehrt?Auch dafür gibt es sicher kein Patentrezept und ich kann wieder nur aus meiner Erfahrung sprechen. Bei uns ist der Übergabetag immer der Sonntag um 16 Uhr. Hintergrund sind wieder praktische und emotionale Aspekte. Aus praktischer pragmatischer Sicht müssen wir die wichtigsten Sachen der Kinder austauschen. Jeder von uns hat zwar Kleidung ohne Ende bei sich im Kleiderschrank der Kinder. Aber Schuhe und in der kälteren Jahreszeit Jacken haben wir dann doch nicht doppelt und dreifach. Das würde kostentechnisch keinen Sinn machen. Im Kindergarten war zudem der Rucksack wichtig und für die Schule nun natürlich der Schulranzen mit dem ganzen Inhalt. Manchmal verleihe ich dann bei der Übergabe auch etwas, was mir gehört, z.B. Kindles, auf denen die Kinder im Auto Filme schauen können bei längeren Autofahrten. Solche Besonderheiten sprechen wir vorher per WhatsApp ab.

Viel wichtiger bei der Übergabe ist aber der emotionale Aspekt. Für mich ist die Übergabe gut, wenn ich das Gefühl habe, dass sich die Kinder auf den Papa freuen und sich sehr schnell in seinen Alltag und in seinen Haushalt eingliedern. Das versuchen wir ihnen so leicht wie möglich zu machen. Da wir nach wie vor gut wenn auch sicher nicht herzlich miteinander kommunizieren können, setzen wir uns immer für ein Paar Minuten gemeinsam aufs Sofa und sprechen über die vergangenen und die kommenden Woche, oder über andere wichtige Themen. Wir schreiben im Endeffekt jeden Tag einander Neuigkeiten aus dem Leben der Kinder, so dass der andere immer den gleichen Informationsstand hat. Am Sonntag tauschen wir uns dann nochmal persönlich darüber aus. Dadurch vermitteln wir den Kindern eine Art Familienkonstrukt, das nach wie vor da ist. Papa und Mama reden miteinander und wissen immer alles über die Kinder Bescheid. So können uns die Kinder nie gegeneinander ausspielen und behaupten, dass es in einem Haushalt was erlaubt ist, was im anderen nicht der Fall ist. Klar gibt es teils unterschiedliche Regeln und Pflichten in beiden Haushalten. Wir reden aber offen über alles.

"In der kleinen Welt, in welcher Kinder leben, gibt es nichts, dass so deutlich von ihnen erkannt und gefühlt wird, als Ungerechtigkeit. (Charles Dickens)

 

Meist hole und bringe ich die Kinder, da ich mir selbst die relevanten Schuhe und Jacken zusammenstellen möchte. Dabei bliebe ich mindestens eine halbe Stunde da und wir reden, bevor die Kinder mir Tschüss sagen müssen und an der Tür winken. Meine Tochter tut sich im Moment mit fast 5 Jahren auf den ersten und zweiten Blick sehr leicht mit diesem Wechsel. Sie hatte es sehr schön mal so zusammengefasst: „Wenn ich bei Papa bin, vermisse ich die Mama. Wenn ich bei Mama bin, vermisse ich den Papa.“ Daraus resultiert dann, dass sie sich auf den jeweils anderen freut. Mein Sohn ist da etwas anders drauf da er schon sehr Mama fixiert ist und es schon immer war. In wahrscheinlich 20% der Fälle diskutiert er schon darüber, warum er zu Papa gehen muss und dass er mich dann vermisst. Und dann steht er entsprechend nicht sehr glücklich winkend an der Tür. Ich versuche ihm dann klar zu machen, dass ich ihn auch vermisse, wenn er nicht da ist, aber dass ich nun mal lange arbeiten muss, wenn sie bei Papa sind. Er braucht wohl dann immer ein Paar Minuten mehr, um bei Papa wirklich anzukommen. Aber die Anwesenheit der Schwester macht das ganze einfacher.

 

Diese beiden Argumente haben für uns einfach dafür gesprochen, die Übergabe persönlicher in einem Haushalt zu machen. Alternativ habe ich von Übergaben über Kindergarten und Schule gehört, wenn die Eltern ganz schlecht miteinander kommunizieren können und einander aus dem Weg gehen wollen. In diesem Fall kann ich mir aber das Wechselmodell überhaupt nur schwer vorstellen, wenn man nicht mal ein Paar Minuten miteinander aushält. Den praktischen Aspekt mit der Jacken- und Schuhübergabe kann ich mir dann auch nicht vorstellen. Die Kinder sollten nicht gezwungen sein, extra Sachen durch ihren Alltag mitschleppen zu müssen nur damit die Eltern das persönliche Treffen vermeiden können. 

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." (Samuel Butler) 

 

Unser Wechselrhythmus hat sich nun seit fast zwei Jahren bewährt, aber natürlich ist das nicht gesagt, dass er so in Stein gemeißelt ist. Wir werden schauen, wir die Bedürfnisse aller sich weiter entwickeln werden. Ich bin mir sicher, dass die neuen digitalen Medien einen großen Einfluss darauf haben werden. Meine Kinder können nun nach und nach das Festnetztelefon bedienen und mich oder den Papa von mir anrufen. Bald kann mein Sohn schreiben und wird irgendwann mal das eigene Handy bekommen. Mein erstes Handy hatte ich mit 19 Jahren. Ich bin mir sicher, dass er seins zehn Jahre früher als ich bekommen wird. Welche Kommunikationsmöglichkeiten das eröffnet wird sich schon zeigen. Ich kenne einen Vater, der leider nicht das Glück hat, seine Kinder regelmäßig im Wechselmodell sehen zu können. Sein Sohn ist gerade 10 geworden und hat ein eigenes Handy bekommen. Der Vater schwebt nun auf Wolke sieben, dass er mit dem Kleinen über ein Chatsystem, was wohl nicht mal WhatsApp ist, sich endlich das erste Mal ohne den Einfluss der Mutter spontan austauschen kann. Es gibt schon eine Familiengruppe bestehend aus Vater, Sohn und auch der etwas älteren Tochter – digitale Medien können Familien zusammenbringen, wie toll ist das denn! Ich freue mich auch auf unseren Familienverteiler – bestehend aus Mama, Papa, Sohn und Tochter – und vielleicht der ein oder anderen Oma:-)